Der Grund. Das Feld des Sichtbaren

Der Grund. Das Feld des Sichtbaren

Veranstalter
Nationale Forschungsschwerpunkt "Bildkritik", Universitaet Basel
Veranstaltungsort
Schaulager
Ort
Basel
Land
Switzerland
Vom - Bis
22.01.2009 - 24.01.2009
Von
Dr. Matteo Burioni

DER GRUND. DAS FELD DES SICHTBAREN
Tagung des Nationalen Forschungsschwerpunktes Bildkritik, Universitaet
Basel, in Kooperation mit Schaulager
Datum: 22.-24. Januar 2009
Ort: Schaulager, Basel

Auf dem Grund stehen wir, er traegt uns. Wenn wir einen Grund angeben sollen, meinen wir eine kausale Bestimmung und sprechen vom Begruenden. Aber auch bei Bildern koennen wir einen Grund benennen. - Die Beschaeftigung mit dem Grund war lange Zeit von den einflussreichen Theoremen der Gestaltpsychologie beherrscht. Auch wenn diese Ansaetze Entscheidendes zum Verstaendnis beigetragen haben, so haben sie doch den Grund meist als stabile, zentrierende Kraft gedeutet, ohne seine dynamischen Aspekte angemessen zu beruecksichtigen. Bei dem viel diskutierten Figur-Grund-Kontrast sollten wir es nicht bewenden lassen.

Denn der Grund ist der Ort eines ikonischen Differenzgeschehens. Im Wahrnehmungsfeld heben sich Konfigurationen voneinander ab. Eine Fuelle von Unterscheidungsoperationen ereignet sich zeitlich im Gesichtsfeld. Der Grund stiftet einen Zusammenhang und ist zugleich Teil dieses Geschehens.

In einem ersten Schritt soll die Metaphorik des Begriffes "Grund" abgeschritten werden, um sich dann zu ueberlegen, wie es kommen konnte, dass ein solcher Festigkeit und Soliditaet suggerierender Begriff auf Bilder uebertragen werden konnte. Im Ausgang von Kants Bestimmung von "Grund" als symbolische Hypotypose (KU B 256) liegt die metaphorische Valenz des Begriffes auf der Hand. Es wäre zu überlegen, ob die rhetorischen Tropen eines Grundes beduerfen, um überhaupt in Erscheinung zu treten. Der ,uneigentliche Gebrauch' eines Wortes waere dann immer schon eine Ansichtssache: abhaengig von der Sichtweise auf eine dynamisch sich wandelnde Konfiguration.

Die Architektur zeigt uns, dass der Grund in horizontaler und vertikaler Hinsicht verstanden werden will. Der Grund ist das ausgezeichnete Feld, auf dem man etwas errichtet: Architekturen, ,Archiskulpturen', Skulpturen überhaupt: Bildwerke. Er ist aber auch die Relation des Gruendens, in der die Aufrichtung zur Erscheinung gebracht wird. Bauten stehen nicht nur auf sicheren Grund. Sie stellen den Prozess der Aufrichtung zur Schau. Gerade hierin sahen Heidegger und Derrida die Arbeitsweise der Architektur und des Denkens am Werk.

Die philosophische Verwendung des Begriffes "Grund" verweist in verschiedene Richtungen. In unserem Kontext interessiert besonders, wo er sich mit dem Bild verknuepft, aber geeignet ist, in ihm eine Funktion zu uebernehmen. Erinnert sei an die lange Geschichte des "fundus animae", des Seelengrundes, von Meister Eckhardt über Leibniz und Baumgarten bis Herder. Mit ihm verbindet sich eine spezifische Weise des Erkennens, deren Aktualitaet für die Logik des Bildes zu ueberpruefen ist. Der tragfaehige "Grund" ist jedenfalls der Ort, an dem sich Horizontale und Vertikale als die beiden Koordinaten ikonischer Repraesentation verzweigen.

Die Perspektive hat seit Beginn der frühen Neuzeit den Bildgrund rationalisiert und formalisiert. Übersehen blieb lange Zeit, dass das Bildfeld dabei auch als Spiel- und Schlachtfeld (frz. champ, ital. campo) verstanden wurde, als Spielraum dynamischer Wahrnehmungsprozesse. Insbesondere die dynamische Valenz verdient staerkere Beachtung. Ihre Analogien in der neuzeitlichen Subjektphilosophie sind offensichtlich.

Die angedeuteten Ueberlegungen erscheinen uns geeignet den gaengigen Begriff des Grundes (frz. fond, ital. fondo) in den Blick zu nehmen, dessen Rolle in der neuzeitlichen Bildreflexion nicht als selbstverstaendlich und gegeben zu betrachten. Spaetestens die Kunst der Moderne hat mit dem Grund auf vielfaeltige Weise experimentiert, ihn in Frage gestellt (Abstraktion, Installationskunst, soziale Plastik, etc.). Der enge Begruendungszusammenhang von "Figur und Grund", den die Gestaltpsychologie zur Geltung brachte, verliert dabei seine Selbstverstaendlichkeit.

Programm

PROGRAMM

Donnerstag, den 22. Januar 2009

14.15 Begruessung
Theodora Vischer, Schaulager
Orlando Budelacci, NFS Bildkritik

14.30 Gottfried Boehm, Basel
Der Grund und die Gruende

15.30 Matteo Burioni, Muenchen
Campo. Agonale Bilder in der fruehen Neuzeit

16.30-16.45 Kaffeepause

16.45 Hans De Wolf, Bruessel
Van Eyck, Duchamp, Broodthaers und der erweiterte "Grund"-begriff

Moderation: Christian Spies, Basel

18.30 Luc Tuymans, Bruessel

Moderation: Theodora Vischer, Basel

Freitag, den 23. Januar 2009

09.00 Hans Adler, Madison
Bodenlosigkeit als Grund: Erkenntnis und Darstellung als Kryptographie
der Seele in der Aufklaerung

10.00 Ralf Simon, Basel
Die Sprache als grundierender Grund und als Topographisierung des Bildes
(Karl Philipp Moritz)

11.00-11.30 Kaffepause

11.30 Günter Figal, Freiburg i. Br.
Die Raeumlichkeit des Grundes

Moderation: Johannes Grave, Basel

12.30-14.00 Mittagspause

14.00 Andreas Beyer, Basel
Grundriss und Aufriss bei Palladio

15.00 Wolfram Pichler, Wien
Zur Kunstgeschichte des Bildfeldes

16.00-16.30 Kaffeepause

16:30 Lothar Ledderose, Heidelberg
Der Bildgrund in Ostasien

Moderation: Peter Geimer, Zuerich

18:30 Rodolphe Gasché, Buffalo
The Veil, the Fold, the Image. On Gustave Flaubert's "Salammbo"

Moderation: Arno Schubbach, Basel

Samstag, den 24. Januar 2009

10.00 Thomas Leinkauf, Münster
Der Grund bei Leibniz

11.00 Nicola Suthor, Florenz
Die Sichtbarkeit der Imprimatur

12.00-13.00 Mittagspause

13.00 Sebastian Egenhofer, Basel
Grund und Territorium bei Hercules Segers

14.00 Gerhard Wolf, Florenz
grundlos

Moderation: Claudia Bluemle, Basel

Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldung wird erbeten unter:
www.eikones.ch oder www.schaulager.org.

Tagungsort:
Schaulager, Ruchfeldstrasse 19, CH-4142 Münchenstein / Basel
www.schaulager.org
ab Bahnhof SBB, Tram Nr. 11 (Richtung Aesch)
bis Station Schaulager
ab Bad. Bahnhof, Tram Nr. 2 (Richtung Binningen Kronenplatz)
bis Station Bahnhof SBB, umsteigen in Tram Nr. 11 (Richtung
Aesch) bis Station Schaulager

Konzeption:
Gottfried Boehm und Matteo Burioni
eikones, NFS Bildkritik, Rheinsprung 11, CH - 4051 Basel

Kontakt: matteo.burioni@lrz.uni-muenchen.de

Kontakt

Matteo Burioni

Institut für Kunstgeschichte, LMU MÜnchen

matteo.burioni@lmu.de

www.eikones.ch